Nepenthes

Möge doch ein zorniger Götterbote in Form einer Schlange mich finden, deren Gift getränkten Zähne von Fleisch nicht aufgehalten werden und mich zurück an die Welt der Traüme binden. Eine Schande für das Leben bin ich geboren, bin ich verzogen, bin ich geworden. Vielleicht den falschen Idolen nachgeeifert, Ikkarus, Prometheus und Orpheus. Habe ich doch noch nicht die Flügel angelegt, die Flamme entfacht und den Abstieg gewagt, jedoch bin ich schon gefallen, verbannt und habe schon einen verbotenen Blick beklagt. Süße Nepenthes, ich weiß ein Biss ist kein Kuss, doch ich biete dir mein Blut für dein Gift als nicht endender Fluss. Schlaue Nepenthes, hast du doch nichts zu verlieren, außer von deinem Gift einen kleinen Guss. Sei gütig, sei barmherzig, mach Schluss.

Eine treue Mutter

Ich weiß dass ich dankbar sein sollte, doch ich wünsche mir manchmal das alles geblieben wäre wie es war. Als Lhamo Döndrub bei uns erschien, war es mir klar. Es ging schon lange das Gerücht um das „er“ in dieser Gegend wiedergeboren sein soll. Natürlich geboten wir ihm die herzlichste Gastfreundschaft, als großer Mönch und Gelehrter hatte er nichts anderes verdient. Doch die Mutter in mir sagte dass ich ihn wegschicken muss, dass er mir mein Kind nehmen wird. Es waren gefährliche Zeiten der Bürgerkrieg in China bedrohte auch unser Land. Wir drohten dem roten Sturm zum Opfer zu fallen, zwangsläufig. Doch was dass bedeuten sollte konnte ich mir in meinen schlimmsten Alpträumen damals noch nicht vorstellen. Und doch, Lhamo Döndrub nahm ihn mir, meinen Tendzin, meinen Sohn. Den ich nicht einmal großziehen durfte, der niemals eine hübsche Frauen heiraten würde und meine Enkel niemals großziehen würde. Er würde niemals mit seinem Vater die Berge durchstreifen und die Yaks hüten. Er würde niemals wieder mit seinen Geschwistern unbeschwert spielen können.
Er nahm mir meinen Sohn und gab uns den heiligen Herr, den gütigen Herr, den verteidiger des Glaubens, den Ozean der Weisheit. Doch meinen Sohn Tendzin nahm er mir. Und gab uns, gab mir einen Gottkönig.

(Die frei erfundenen Gedanken einer Mutter die ihren Sohn verlor.)

Tokwamok

Es war einmal ein König namens Tokwamok, der thronte auf einem goldenem Turm größer als die größten Bäume. An der Spitze war sein Podium von dem aus er zu seinem Volk sprach. Dieser König war so alt wie sein Königreich selbst das so weit im Osten lag das es schon wieder Westen sein konnte, genauso alt waren auch seine Ideale und Wertvorstellungen. Zum Anbruch des Sonnenutergangs betratt er sein Podium. Sein knittriges und faltiges Gesicht war gezeichnet von Ratlosigkeit, gezeichnet von inneren Kämpfen, gezeichnet von dem kommenden Ende das er zu verspüren mochte. Der König lies sich von den letzten Sonnenstrahlen wärmen wie einst in besseren Zeiten, sein goldenes Geschirr glänzte so prachtvoll wie an dem Tag an dem es geschmiedet wurde. Seine Krone aus Ebenholz war abgenutzt und beschädigt. Der König trat vor um im Schein der roten Sonne sein Volk vor dem goldenen Turm versammelt zu sehen. Aus dieser Höhe ein einziges Gewusel. Eine aufgebrachte Menge von der er vernahm: “ Tod Tokwamok, nieder mit diesem Symbol der Knechtschaft, tod denen die uns nichts Gutes wollen!!“. Der König war bestürzt über diese Hasstiraden, hatte er doch immer alles für sein Volk getan, waren es nicht sie die ihm diesen Turm zu ehren erichten wollten, waren es nicht sie die ihm zum König auf Lebenszeit ausruften, waren es nicht sie die dieses Königreich errichteten und erhielten. Was ist aus seinem Volk geworden fragte er sich. Er blickte über die Stadt, ein Meer aus goldenen Türmen. Eine letzte Träne die sich an seiner Lippe aufhing. Ein letzter Ruck, der Turm fiel.

Urchild

Als ich erwachte war mir nicht ganz klar ob das nun der Tod ist, gefangen in dichtem Nebel der Geburt der Gezeiten konnte ich mich an nichts erinnern. Doch irgendwann fing ich an zu begreifen dass ich mitten in der Entstehung eines Universums war. Mir war nur nicht klar wie das sein konnte. Wie kann ich im Gas- und Materiesturm dieses wunderschönen Ereignisses überleben. Immer wieder funken Blitze in den Rot, Gelb und Orangenen Gaswolken auf und immer wieder wurde ich von Druckwellen erfasst die mich auseinander rissen. Doch ich setzte mich wieder zusammen. Der Schmerz war unvorstellbar, doch nichts gegen den Schmerz den ich erfuhr als meine Erinnerungen zurückkehrten. Als ich mich an mein vorheriges Leben erinnern konnte. Mein Planet, mein Volk, meine Familie wurde verschluckt von dem großem verklingen des letzten Universums. Mein Volk das hunderttausende von Jahren überlebte und sich entwickelte, fand heraus das wir am Ende des universellen Zyklus angelangt waren, spät wurden wir geboren. Wir waren natürlich nicht in der Lage dieses Ende aller Zeiten abzuwenden und so ergaben wir uns unserem Schicksal. Ich kann mich genau an die Stille vor dem Ende erinnern, als ich meine Kinder und meine Frau umarmte. Sie streichelte mir langsam über meinen Kopf und dann war dort nur noch Licht. Und nun? Nun soll ich also weiterleben in diesem kosmischen Theaterstück, bis die Vorhänge wieder Fallen? Ich konnte dass nicht akzeptieren, warum konnte ich nicht auch einfach sterben? Warum wurde ich in diesem Inferno wiedergeboren? Immer wieder blitzten mir diese Gedankenschnipsel in meinem Verstand auf, kurz bevor ich von der nächsten Druckwelle zerrissen wurde. Und als ich irgendwann nach endlosen Zeiten an den äußeren Rand dieses Universums Gepresst wurde, konnte meine Struktur abkühlen und sich strukturieren. Ich war nicht vollkommen fest eher Gasförmig, doch ich hatte immer noch Ähnlichkeit mit meiner alten körperlichen Struktur. Mir war nicht klar wie viel Zeit schon vergangen war bis zu diesem Zeitpunkt, weil die Zeit noch nicht angefangen hatte sich auszudehnen und so auch in meiner nicht permanenten Form kein Zeitgefühl aufkam. Nun konnte ich mich komplett erinnern und nicht begreifen wie das hier alles sein konnte.  Immer wieder plagte mich das Unverständnis, im Angesicht des zum expandieren bereiten Universums. Und als ich merkte wie ich zum Auge des Urknalls zurückgezogen wurde, dachte ich schon es würde wieder zusammenfallen und ich könnte endlich sterben. Doch kurz bevor es wieder komplett zusammenfiel begann die Expansion des neuen Universums. Mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit wurde ich durch die Dunkelheit katapultiert, es fühlte sich so an als würde ich mit dem Druck von Tausend Welten gegen eine Wand gepresst. Und als ich mich verlangsamte kam mir das geschehene wie ein kurzer Wimpernschlag vor. Nun sah ich wie Millionen von Arme vom Kern wegzogen und sich in unterschiedlichen Farben erstreckten. Ich fing an dahinzutreiben, ohne Verlangen, ohne Bezug zur Realität. Ich konnte nur Trauern. Und als ich trauerte manifestierte sich das neue Universum, Materie festigte sich und brach wieder auseinander. Und so geschah es dass ich in die Nähe eines kollabierten Sterns trieb, der in ein schwarzes Loch zerfiel. Ich bemerkte es erst als ich wieder auseinandergerissen wurde und konnte mich eigentlich nicht mehr befreien, doch dann erfasste mich ein gigantischer massereicher Planet der auch im Sog des Loches gefangen war. Doch die Masse wirkte entgegengesetzt und katapultierte mich so aus dem Sog. Ein Teil meines Körpers verlor ich jedoch an das schwarze Loch. Bis ich durch einen gewaltigen pinken Nebel trieb, dessen Materie mir wieder meine ursprüngliche Form zurückgab. Ab diesem Zeitpunkt begriff ich, dass ich unsterblich sein musste.

 

Paradox

Kein Wort geht über seine Lippen als ich sein engelsgleiches Gesicht in meinen Händen halte. Er schaut mir nur tief und fragend in die Augen. Er ist das Abbild unseres Vater, wahrscheinlich noch mehr als ich. Ich streiche ihm sanft über die rechte Wange, seine Augen blicken kurz nach unten um danach wieder meine Augen zu fixieren. Er ist in mir drin, er fühlt es. Er war immer der gefestigtere von uns, konnte Menschen wie Bücher lesen. Doch seine Talente waren noch viel breiter gestreut, war er doch musikalischer als ich, sportlicher. Seine Intelligenz überragt meine bei Weitem, ein kleines Genie. Die perfekte Kombination aus unserer Mutter und unserem Vater, dass beste aus beiden Welten. Mein kleiner Bruder, wo bist du? Ich bringe es nicht über meine Lippen, doch er hört es trotzdem. Und als meine Hände langsam von seinen Wangen hinuntergleiten um seinen Hals zu umschlingen, begreift er was nun passieren wird. Lebe wohl meine bessere Hälfte, mein geliebter Bruder. Unsere Augen füllen sich mit Tränen, wir schweigen. Er versucht gar nicht sich zu wehren. Noch bevor seine erste Träne die Augen verlassen kann, greifen meine Hände zu. Seine Arme umschlingen meinen Oberkörper als ob er mich umarmen wollte. Leise, kratzende Geräusche überkommen seine blauen Lippen, doch unsere Augen verlassen sich nicht. Es tut mir leid. Ich sage es nicht, doch er hört es.